Neues Buch der Geschichtswerkstatt erzählt vom Schicksal der Familie Nathan
Von Till Conrad
Marburg. Im September vor elf Jahren hatte Barbara Wagner von der Marburger Geschichtswerkstatt ihr erstes „Blind Date“ mit der Familie Nathan. Treffpunkt war der Aufzug im Parkhaus im Pilgrimstein. Familie Nathan aus Israel – Gad mit seinem Sohn Boaz, seine Schwester Ruth Kastner mit ihrem Ehemann Rafael standen an der besprochenen Stelle und schauten der Marburgerin erwartungsvoll und mit viel Herzlichkeit entgegen. Die gegenseitige Sympathie war sofort da.
Die Familie Nathan wollte endlich die Familiengeschichte der 1937 aus Deutschland geflüchteten Eltern erforschen. Theo Nathan aus Lohra und Blanka Nathan geb. Plaut aus Merzhausen waren vor einigen Jahren verstorben. Sie hatten sich bei den Erzählungen immer sehr zurückgehalten. Zu tief saß der Schmerz über die Verfolgung der Juden und Jüdinnen, der Schmerz über die in der Shoa ermordeten Angehörigen wie die Eltern von Theo Nathan und weitere zahlreiche nahe und entferntere Verwandte.
Stadt eröffnet Themenweg „Braunes Marburg“
Auf die Deutschlandreise hatten sie das Hochzeitsfoto der Eltern mitgenommen, das noch in Marburg aufgenommen worden war. Längst nicht alle abgebildeten Personen waren den Nachkommen bekannt. Besonders interessierte sie natürlich, wo das Foto aufgenommen wurde. Den Ort ausfindig zu machen und möglichst viele Personen vom Foto zu identifizieren und deren Schicksal zu beleuchten, war die nur zu gerne übernommene Aufgabe der Geschichtswerkstatt Marburg.
Die Recherchen sind nun in einem Buch dokumentiert worden. Aus der weitverzweigten Familie, die in der ganzen Welt lebt, wurden zahlreiche interessante Familienfotos beigesteuert.
Das Buch „Das Hochzeitsfoto“ wird vorgestellt am Mittwoch, 7. September, 17 Uhr im Gymnasium Philippinum „Kultidrom“, Leopold-Lucas-Straße 18, 35037 Marburg. Veranstalter ist die Geschichtswerkstatt Marburg.
Bereits am Dienstag, 6, September, findet neben den Bahngleisen auf dem Gelände der Waggonhalle ab 19.10 Uhr eine Gedenkveranstaltung zur Deportation der Marburger Juden in die Vernichtungslager statt. Es sprechen Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, der Dekan der evangelischen Kirche, Burkhard von Dörnberg, und ein Vertreter der islamischen Gemeinde. Thorsten Schmermund betet für die Jüdische Gemeinde. Zwei Schülerinnen der Blista werden die Namen der Deportierten verlesen.
Die dritte Deportation Marburger Juden nach Theresienstadt jährt sich am 6. September zum 80. Mal. Seit 2002 erinnert die Geschichtswerkstatt Marburg mit einer Gedenkstunde an die drei Deportationen von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern vom Marburger Bahnhof aus – nach Riga, nach Sobibor, nach Theresienstadt. Im Rahmen der diesjährigen Gedenkveranstaltung wird auch der neue Themenweg „Braunes Marburg“ vorgestellt.
Quellenangabe: OP Marburg/Ostkreis vom 06.09.2022, Seite 4