Virtueller Gang durch das alte Philippinum

Presseartikel

Virtueller Gang durchs alte Philippinum

Zum 500. Geburtstag des Gymnasiums ersteht der 1973 abgerissene Schulbau virtuell wieder neu

Von Manfred Hitzeroth

Marburg. Einmal wieder durch die alte Schule gehen, die schon seit mehr als einem halben Jahrhundert abgerissen ist: Dieser Wunschtraum könnte zum 500-jährigen Bestehen der Schule für die Ehemaligen des alten Philippinums, aber auch aktuelle Mitglieder der Schulgemeinde in Erfüllung gehen. Denn auf Initiative der Schulverantwortlichen wird derzeit von der Marburger Firma Inosoft ein virtueller Schulrundgang durch das von 1868 bis 1973 genutzte alte Schulgebäude und den Anbau aus den 1960er-Jahren auf den Weg gebracht.

Und das Projekt, das der Schulgemeinde im Jubiläumsjahr 2027 offiziell präsentiert werden soll, ist schon weit vorangeschritten. Die aktuellste Version des virtuellen Schulrundgangs demonstrierte Inosoft-Chef Thomas Winzer der OP in den Firmenräumen. So kann man sich mit VR-Brille ausgestattet in dem im virtuellen Raum maßstabsgerecht nachgebauten alten Schulgebäude bewegen.

Film in der Aula zeigt legendären Abistreich

Über dem Haupteingang prangt wie früher der Spruch „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang“. Durch das Treppenhaus kann man jetzt bereits zur Aula – dem ehemaligen Treffpunkt der Schulgemeinde – gelangen. Sowohl der große Saal als auch die Empore sind mit Stühlen ausgestattet.

Per Joystick kann auf der Leinwand auf der Bühne ein originaler Kurzfilm aus den 1960er-Jahren gestartet werden. Er zeigt Filmaufnahmen eines legendären Abistreichs, bei dem ein Sofa aus dem Fenster des Schulgebäudes hinuntergeworfen wurde.

In den kommenden Monaten soll auch noch das ehemalige Direktoriumszimmer in der VR-Version ausgestattet werden, ebenso wie zwei Klassenzimmer von damals, die aufgrund alter Bilder für den Rundgang rekonstruiert werden. Auf die theoretische Möglichkeit, auch noch die Avatare eines Lehrers oder von Schülern in das virtuelle Philippinum zu integrieren, wird aber verzichtet. Denn das zu schaffen, würde sehr viel Rechnerzeit benötigen, erläutert Thomas Winzer.

Jedoch sollen noch Geräusche in das Projekt des virtuellen Schulrundgangs eingebaut werden, um das Erlebnis noch realistischer zu gestalten. Und es werden an einzelnen Stationen interaktive Infotafeln installiert. Zudem wird es wohl die Möglichkeit geben, dass sich nach dem Multi-User-Prinzip bis zu 100 User gleichzeitig in denselben Rundgang einloggen.

Und zusätzlich zu dem Rundgang mit VR-Brille wird es auch noch eine „Einsteiger-Version“ geben, bei der der Schulrundgang per Smartphone oder Tablet ausgeübt werden kann.

Die Idee für den Rundgang hatte Dr. Bernhard Rosenkötter, Archivpädagoge und Geschichtslehrer am Gymnasium Philippinum. Inspiriert wurde er von der 3-D-Rekonstruktion der 1938 von den Nationalsozialisten niedergebrannten alten Marburger Synagoge an der Universitätsstraße durch Inosoft. „Wir haben uns gefragt, ob wir so etwas auch für unser altes Schulgebäude machen lassen können“, erzählte Rosenkötter im Gespräch mit der OP.

Das ehemalige Schulgebäude des Gymnasiums Philippinum war eines der Gebäude, mit denen noch viele Marburger ihre Jugenderinnerungen verbinden. Doch mittlerweile ist der ehemals prächtige Schulbau, der sich auf dem Areal zwischen der Universitätsstraße und der Untergasse erstreckte, schon lange Geschichte.

Denn das damalige Philippinum wurde vor mehr als 50 Jahren – im Jahr 1973 – abgerissen. An seiner Stelle wurde ein Einkaufszentrum errichtet, das heutige Schlossbergcenter.

Rundgang ergänzt das digitale Schulmuseum

„Es war ein interessantes Gebäude. Der Abriss, der kurz vor der Oberstadt-Sanierung erfolgte, war eine große Marburger Bausünde“, sagt Bernhard Rosenkötter. Er ist Geschichtslehrer am aktuellen Philippinum, dessen Gebäude sich mittlerweile am großen Marburger Schulstandort in der Leopold-Lucas-Straße befindet.

Rosenkötter hat sich in den vergangenen Jahren mit um den Aufbau eines digitalen Schulmuseums gekümmert. Für die Erarbeitung des 3-D-Rundgangs hat er unter anderem die Baupläne des Schulgebäudes gesichtet, die im Staatsarchiv liegen.

Im Archiv finden sich auch einige Ansichten der Fassade und des gesamten Schulgebäudes. Zudem haben Ehemalige des Philippinums Fotos beigesteuert, die aus der Abbruchzeit stammen. Bilder liegen auch aus der ehemaligen Aula, dem Direktorenzimmer und einem Klassenraum sowie den Schulfluren vor.

Insgesamt kam schon so viel Material zusammen, dass von Inosoft bereits die erste Zwischenversion des Schulrundgangs erstellt werden konnte. „Ich bin total begeistert, das ist schon sehr realitätsnah“, sagt Bernhard Rosenkötter. Und auch einige Ehemalige konnten schon durch ihre ehemalige Schule flanieren und sich mehr als 50 Jahre zurückversetzen.

Der Zwischenstand des Projekts „Virtueller Schulrundgang“ soll im Rahmen eines Werkstattberichts an diesem Donnerstag, 23. Oktober, ab 18 Uhr im Landgrafensaal des Marburger Staatsarchivs von Thomas Winzer und Dr. Bernhard Rosenkötter anschaulich präsentiert werden.

Quellenangabe: Oberhessische Presse vom 22.10.2025, Seite 4.